Lesungen sind für mich als Autor immer eine besondere Erfahrung, aber keine Lesung ist so besonders wie die erste eines Buchs. Wie reagiert das Publikum an welchen Stellen? Welche Fragen werden mir am Ende gestellt?
Bevor ich aber am 3. September 2025 meine erste Lesung zu “Tod & Truzek” halten konnte, musste ein Konzept her, mit dem ich den Lesungsbesuchern einen repräsentativen Einblick in das Buch geben konnte. Repräsentativ, weil mir lieber ist, es kauft jemand das Buch nicht, weil er verstanden hat, dass es nichts für ihn ist, als von meiner überredet zu werden und dann mit seinem Kauf unzufrieden zu sein.
Diesmal hatte ich das Glück, mich an meiner Erfahrung von “Der Fall Zossner” orientieren zu können. Die Struktur, der ich auch diesmal wieder gefolgt bin, ist wie folgt:Ich gehe von einer Lesungszeit von einer Stunde aus (alles darüber ist zu anstrengend für beide Seiten, alles darunter entweder zu oberflächlich oder abgehetzt).
2-3 Minuten über mich, 10-12 Minuten über den Entstehungsprozess des Buchs, 3-8 Minuten über die Gedanken, die ich mir zu dem Buch gemacht habe. Nach diesen etwa 20 Minuten Eröffnung folgt der eigentliche Leseteil, wobei ich niemals (!) länger als 10 Minuten am Stück lese, und jeder Leseabschnitt mit 1-3 Minuten Erzählung rund um das eben Gelesene abgerundet und/oder eine Vorschau auf den nächsten Leseabschnitt gegeben wird. In den letzten Minuten, wenn meine Zuhörer alle relevanten Erkenntnisse gewonnen haben, gehe ich darauf ein, mit welchen Wünschen für meine Leser ich das Buch geschrieben habe. Nach 20 Minuten Eröffnung und 40 Minuten Lesung gibt es in der Regel noch genug Fragen, um eine knappe Stunde zu füllen.
Ich versuche mal, meine Erzählung im Folgenden (zusammengefasst) zu verschriftlichen:
2-3 Minuten über mich
Ich komme ursprünglich aus Bergisch Gladbach, bin dann für ein Auslandsjahr in die USA gegangen, danach in die Schweiz, wobei ich in Baden-Württemberg meinen Schulabschluss gemacht habe. Anschließend nach Dresden, um Kartographie zu studieren (und abzubrechen), ins Ruhrgebiet für ein Praktikum und Stipendiumsbewerbungen im Bereich Game Design. Von dem Erfolg ermutigt zog ich nach Berlin, um Game Design zu studieren. Das habe ich auch abgeschlossen und dort als Game Designer gearbeitet, schließlich Umzug nach Köln für eine neue Arbeit, nach der ich mich dann als Romanübersetzer selbstständig gemacht habe.* Hierbei lernte ich das Handwerk des Schreibens, und der Traum vom eigenen Buch nahm realistische Züge an.
10-12 Minuten über den Entstehungsprozess des Buchs**
Die Erfahrungen rund ums Schreiben, Veröffentlichen und Präsentieren von “Der Fall Zossner" waren für mich unterm Strich dermaßen positiv, dass ich das gern wiederholen wollte. Da auch die Bedingungen recht ähnlich waren, entschied ich mich, die Vorgeschichte von “Der Fall Zossner" zu schreiben - Arbeitstitel “Der letzte Zossner" - und dabei alles möglichst genauso, nur besser zu machen. Ich merkte aber bald, dass mich das Vorhaben furchtbar langweilte, die Geschichte nicht gut war und ich die Freude am Schreiben verlor.
Also ging ich in mich, um der Sache auf den Grund zu gehen. Warum erzielte ich nicht die gleichen positiven Effekte, obwohl ich so weit wie möglich genau das Gleiche nochmal machte?
Die Antwort lautete: Weil es das Gleiche war. Was mich bereichert hatte, war die Herausforderung, etwas Neues zu schaffen, durch das ich über mich hinauswachsen konnte.***
Also überlegte ich, was eine solche Herausforderung sein könnte, und kam zu dem Ergebnis, dass es etwas sein musste, was ich gerne machen würde, mir aber nicht zutraute oder einfach noch nicht beherrschte. Daraus ergaben sich motivierende Ziele, die ich erreichen wollte, und diese Motivation trug mich auch durch die Tiefen, die jedes Vorhaben mit sich bringt.
Für “Tod & Truzek” waren das ganz konkret der Wunsch, einen klar historischen Roman zu schreiben, sowie der Wunsch, mehrere Erzählstränge miteinander verweben zu können, und nicht zuletzt der Wunsch, die Handlung mal nicht nach Bauchgefühl, sondern nach allen Regeln der Kunst durchzustrukturieren.
Während ich in den Anfängen meiner Planung steckte, geschah etwas Unerwartetes: Der Mensch, der mich von klein auf durch mein kreatives Schreiben begleitet hatte, meine allerersten Geschichten lektoriert und mir dazu Feedback gegeben hatte - kurzum der, ohne den ich niemals irgendetwas zum Spaß geschrieben hätte - starb überraschend. Das stürzte mich in eine Krise, während der ich mich viel damit befasste, wie Geschichten uns helfen können. Um hier nicht den Rahmen zu sprengen, für diejenigen, die sich damit ebenfalls befassen möchten: Recherchier gerne mal, wie “Der Herr der Ringe” gegen Depressionen hilft. Das ist zwar nur die Spitze des Eisbergs, aber leicht mit einer einfachen Google-Suche zu lösen.
Mein Problem war aber nicht Depression oder Verzweiflung, sondern Trauer, womit ich bei “The Leftovers” fündig wurde. Das ist eine Serie, die sich so sehr diesem Thema widmet, dass sie mir zwar geholfen hat, ich sie aber für fast unverständlich halte, wenn man nicht gerade aktiv trauert.
3-8 Minuten über die Gedanken, die ich mir zu dem Buch gemacht habe
Ich wollte ein Buch schaffen, das wie “Der Herr der Ringe” einen positiven Effekt auf Leser haben kann, aber auch ohne das bearbeitete Problem unterhaltsam zu lesen war. Wer sich noch nie tiefer mit “Der Herr der Ringe” auseinandergesetzt hat, wird vielleicht überrascht sein, dass das in diesem Buch steckt, eben weil Verzweiflung keine Voraussetzung ist, um die fantastische Welt, den spektakulären Kampf von Gut gegen Böse und Unterthemen wie Freundschaft, Mut, etc. genießen zu können.
“Tod & Truzek” ist daher mein Versuch, so etwas zu schaffen, und wenn ich all meinen Testlesern glauben darf, ist mir das mehr als gelungen. Denn gelobt wurde es vor allem für seine spannende Handlung, die kurzen Kapitel, die zum “Binge-Reading” anregten, und die Authentizität, mit der ich die 1880er eingefangen hatte. Und der reine Unterhaltungswert ist ja auch ein hohes Gut - viele Geschichten sind nichts als reine Unterhaltung, pure Ablenkung, und auch das brauchen wir gelegentlich. Aber vielleicht hilft “Tod & Truzek” eines Tages mal irgendjemandem, der in einer ähnlichen Lage ist wie ich damals war, weil er oder sie empfänglich für das zugrunde liegende Thema ist - und das ist ein schöner Gedanke.
40 Minuten Leseanteil
Nach einer kurzen Einführung in die Zeit (Deutsches Kaiserreich, Bismarck, Industrialisierung, Landflucht) begann ich mit dem Lesen der ersten acht Kapitel (also bis Frieda III). Damit hatte jede der vier Protagonistinnen mindestens ein, im Schnitt zwei Kapitel bekommen, zu denen ich jeweils erzählte, was mich zu bestimmten Entscheidungen motivierte. Mal war das der Wunsch, eine historische Kuriosität abzubilden, meist, den Alltag der normalen Menschen damals einzufangen. An ausgewählten Stellen erläuterte ich, wie ich mit bestimmten Aspekten der Geschichte das Thema Trauerbewältigung behandelte, z.B. damit, dass die vier Protagonistinnen allesamt Figuren sind, die gegen Ende des Buchs aus ihrer Trauer herausfinden, oder dass für mich Trauer nicht auf den Verlust eines Menschen beschränkt ist, sondern auch über Dinge, die niemals (wieder) sein werden, oder Ideale und Ziele, die an Wert und/oder Beachtung verlieren.
60 Minuten Fragerunde
Die Fragerunde ist mein Lieblingsteil jeder Lesung, denn hier werde ich selbst überrascht. Im Folgenden exemplarisch einige (paraphrasierte) Fragen, die immer wieder auftraten - und meine Antwort darauf:
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* Meinen vielen Umzügen und Wohnorten werde ich sicher irgendwann auch mal einen eigenen Blogpost widmen, haben sie mich doch sehr geprägt.
** Wenn du es gern ausführlicher magst: Dem Entstehungsprozess des Buchs habe ich einen ganzen Blogpost gewidmet.
*** Ein prägender Spruch wurde damit für mich: “Der Schatz, den du suchst, liegt in der Höhle, die du fürchtest.”